Stefan Kunz: Die heilsame Kraft christlicher Meditation


In dieser Folge spricht Rebecca Krämer mit Dr. Stefan Kunz über die heilsame Kraft christlicher Meditation. Stefan ist evangelischer Theologe, Autor und Seelsorger. Sein Herz schlägt für christliche Mystik und geistliche Übungswege.

Rebecca Krämer: Du bist Pfarrer in Rufbereitschaft. Was bedeutet das denn?

Dr. Stefan Kunz: Ja, das bedeutet, ich bin zwar im Ruhestand, aber ich bin doch bereit, auch Vertretungsdienste zu übernehmen in der Gemeinde. Z.B. wenn es um Gottesdienste geht, Beerdigungen, Taufen, Trauungen. Wenn man mich ruft, bin ich dann gerne zur Stelle. Aber auch in der Seelsorge, wenn da jemand sagt, er möchte gerne mit mir sprechen, auch da bin ich in Rufbereitschaft und bin gerne bereit, mit jemandem zu reden und die Probleme, die es geht, ins Licht des Evangeliums zu stellen und auf diese Weise immer noch als Seelsorger tätig zu sein. Und dann bin ich vor allem auch in Rufbereitschaft für meine Enkel, die gar nicht so weit weg von mir wohnen. Und wenn die rufen, dann komme ich auch gerne. Das macht mir großen Spaß und große Freude. Die sind acht und vier Jahre alt. Und wenn die nach Opi fragen, ob er zum Spielen kommt, dann folge ich diesem Ruf sehr gerne.

Das heißt, du genießt deinen Ruhestand im Moment?

Kann man so sagen? Ja, das stimmt.

Du hast ein Buch geschrieben, das heißt «Jesus atmen». Und du schreibst in diesem Buch folgenden Satz: «Ich war hingerissen von dieser neuen Dimension geistlichen Lebens, die sich mir hier auftat und die ich als verkopfter junger Protestant nicht kannte.» Welchen neuen Schatz hast du da entdeckt? Von was redest du da?

Das Neue war, dass ich eine neue Dimension von Wahrnehmung kennengelernt habe. Also das reine Schauen, die reine Anbetung, einfach nur in die Gegenwart Gottes eintreten. Das war mir vorher gar nicht bekannt und gar nicht vertraut, dass das möglich ist und was das bedeutet, wie das geht. Das ist ja etwas, was man nicht mit dem Kopf macht, sondern eigentlich mit dem Herzen. Da war ich wirklich begeistert und da hat sich mir eine Tür geöffnet zu einer ganz neuen weiten Welt und einer neuen Form der Gottesbegegnung, der Gotteserfahrung.

Kannst du noch ein bisschen genauer sagen, wie diese Gotteserfahrung für dich aussah?

Ja, die bestand darin, dass ich gemerkt habe, wenn ich ganz auf Empfang schalte, also wenn ich ganz innerlich still werde, ruhig werde, geerdet bin, mich aufrichte und sozusagen mein Herz wie so eine Schale vor Gott halte, dann geschieht oft erstmal gar nichts. Aber irgendwann spüre ich dann, wie der Geist Gottes kommt und mich erfüllt. Und ich habe es dann gemerkt an dem Frieden, der mich erfüllt hat und an dem inneren Licht, was dann geleuchtet hat. Und das war für mich wirklich faszinierend und hat mich auf eine ganz neue Spur gebracht.

Was ist dir denn da als junger Mensch passiert, dass du da drauf gekommen bist?

Der Grund war, dass ich das Meditieren kennengelernt habe, zunächst mal aus reiner Neugier. Und das hat dann sozusagen einen Mittelweg eröffnet. Also ich war vorher Theologe, ich habe mich mit der Bibel beschäftigt und mit den theologischen Traditionen, die es gibt. Ich wusste auch, was es heißt, christlich zu handeln, wie man da in der Nächstenliebe sich übt, wie man das Evangelium praktisch umsetzt. Und diese beiden Pole, das war mir schon klar. Aber dass es in der Mitte noch mal so eine tiefen Dimension gibt – die reine Zuwendung zu Gott, in die Gegenwart Gottes hineingehen – das war für mich eine echte Entdeckung und hat mein Leben wirklich verändert, seit ich da als junger Student diese Erfahrung gemacht habe.

Diese Begegnung der Gegenwart Gottes, nennst du das meditieren oder war das Anbetung?

Das ist zunächst mal meditieren, aber das geht dann in Anbetung über. Auch Meditation heißt zunächst einmal einfach geschehen lassen. Also ich höre auf, einfach was zu wollen, sondern ich bin einfach da in der Gegenwart Gottes und bin bereit, zu sehen, zu hören, aufzunehmen. Das ist eigentlich zunächst mal der erste Schritt, dass ich bereit bin aufzuhören, so in diesem doppelten Sinne des Wortes. Also ich höre auf, immer weiterzudenken und zu machen und zu handeln. Und ich höre auch innerlich auf das, was Gott mir in der Stille sagen will und sagen kann und manchmal auch dann auf unverfügbare Weise sagt.

Warum hat dich das als junger Mensch so angesprochen? Was war denn das Besondere daran?

Ja, das Besondere war, ich habe entdeckt, diese Meditation ist etwas, was nicht, ich möchte mal sagen, unterhalb der Vernunft ist, sondern eigentlich höher ist als die Vernunft. Also eine neue Ebene, ein neues Plateau. Paulus sagt das auch, er sagt ja, der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne. Und das habe ich plötzlich verstanden, dass Meditation heißt, ich höre auf, immer nur nachzudenken und logisch zu schlussfolgern und innerlich hin und her zu argumentieren. Und Gott ist ja so groß und ist so unendlich weit, dass die Logik und der Verstand natürlich überhaupt nicht hinreichen, zu Gott hinzugelangen. Es reicht noch nicht mal aus, die Offenbarung Gottes wirklich zu verstehen und aufzunehmen. Und da ist Meditation eine Hilfe, in diesen Frieden Gottes hineinzukommen, der nicht tiefer ist als die Vernunft, sondern der höher ist als die Vernunft. Und das hat mich eigentlich da als junger Student fasziniert. [...]

Hier kannst du dir Meditationen von Stefan Kunz vorlesen lassen.

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