Was läuft verkehrt in der Gesellschaft? Ein Interview mit Monika Hausammann
Verlagsleiter Dominik Klenk spricht mit Schweizer Autorin Monika Hausammann über ihr Buch "Die große Verkehrung". Von der in Frankreich lebenden Journalistin erfahren wir, in welchem Schreibambiente sie am besten der Muße begegnet, was Schuld mit Verantwortung zu tun hat und warum die Bibel ein mächtiges Aufklärungstool ist.
Dominik: Monika, was hat dich in den Süden gezogen?
Monika: Ich muss dich ganz kurz korrigieren, es ist nicht der Süden, sondern der Südwesten. Ich bin in der Nähe von Bordeaux. Das ist ziemlich weit beim Atlantik drüben. Ich bin hier hergekommen, weil ich eigentlich meine Eltern besuchen wollte, und bin dann geblieben. Das ist die Kurzfassung.
Das klingt spannend! Viele suchen ja dann irgendwann mal das Weite von den Eltern, und du hast sozusagen den Weg zu ihnen zurück, vielleicht nicht gesucht, aber auf jeden Fall gefunden?
Auf jeden Fall. Das Weite habe ich mit 17 Jahren gesucht, und bin von zuhause weg nach Paris gegangen, habe dort gelebt und später auch meine Ausbildung und das Studium gemacht. Meine Eltern lebten in der Zwischenzeit auch schon in Frankreich. Ich bin zurück in die Schweiz aus beruflichen Gründen, und hier lebten wir 20 Jahre auf großer Distanz. Deshalb war das ein Zurückkehren und ein Sich-neu-Kennenlernen. Eine große Sache für mich.
Also auch eine gewisse Umkehr?
Umkehr, Heimkehr und der ganze Prozess war auch ein Wachsen aus dem Kindlichen, Kindischen und Pubertären heraus – da brauchte ich ziemlich lange – und dann einmal um die Welt und durch die Hintertür wieder rein. Da entdeckt man wirklich, was man eigentlich hat – das ist ein großes Geschenk.
Du bist heute Schriftstellerin. Wie kamst du denn zum Schreiben?
Zum Schreiben kam ich durchs Lesen. Wir hatten nie einen Fernseher zu Hause, aber eine große Bibliothek. Ab dem Alter von 7–8 Jahren wurden wir von meiner Mutter versorgt mit Büchern. Für mich war sehr rasch klar, dass ich eines Tages auch Bücher schreiben werde. Es hatte nichts Dringliches, es war einfach ein Fixpunkt. Mir war wichtig, zuerst ein Beruf zu erlernen, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das mit den Büchern hatte Zeit! Richtig gepackt hatte es mich Mitte 20, wo ich mich hingesetzt habe und mir gesagt habe: "Ok, jetzt schreib ich mal ein Buch!" Das war nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber so ist es dann gekommen und ich bin dann dran geblieben.
Du hast dich beruflich eher im Bereich Betriebswirtschaft und Marketing verdingt. Hier war das Schreiben nicht unmittelbar geplant, trotzdem wusstest du: Da wartet was auf dich. Wie hast du dich dem Schreiben genähert?
Ich kann das nicht anders beantworten als über das Lesen. Plötzlich war klar: Jetzt bist du am Zug! Ich habe so großartige Bücher gelesen und da war immer der Gedanke: "Ich will das auch schreiben!" Anderes natürlich, aber gleichermaßen so großartige Bücher. Der Weg war ein kurzer. Ich reduzierte meine Arbeitszeit im Job und die freien Stunden nutzte ich zum Schreiben. Dann merkte ich, dass es sehr unangenehm war – ein großes Leiden! Aber ich bin jemand, der nicht aufgibt. Dann hab ich mir gesagt: "Leide weiter, bis es dir gelingt." Und so ist es dann gekommen.
Es scheint ein schönes Leiden zu sein, denn du hast inzwischen eine Handvoll Bücher geschrieben. Wir stellen uns das jetzt natürlich alle sehr romantisch vor. Du bist im Südwesten Frankreichs und lebst dort auf dem Land mit zwei Hunden. Wenn die Sonne zur rechten Zeit aufgeht, dann setzt du dich hin und schreibst ein paar Zeilen auf? Wie sieht dein Schreiballtag aus?
Mein Alltag ist eigentlich fast militärisch durchgetaktet. Die Muße ist manchmal vielleicht da, aber meistens ist das eine reine Disziplinfrage. Ich stehe auf und ich weiß: "Jetzt hast du das vor dir, dieses Kapitel, diese Szene. Das möchtest du heute erreichen und hast du dir als Ziel gesetzt." Das ist jeden Tag wieder ein Hindurchbrechen – eine große Wand, vor der ich stehe und mir sage: "Da musst du jetzt rauf!" Und da geh ich dann rauf, koste es was es wolle, und dann hör ich nicht auf, bis ich es gemacht habe. Und von daher bin ich jeden Morgen sehr dankbar, dass ich das darf, aber gleichzeitig hab ich auch immer große Angst, ob ich es schaffe [...]